Sie sind meist geruchs- und farblos, entfalten fast unbemerkt ihre Wirkung in Sekunden – Mordsgifte!
So auch bei Kim Jong-nam, dem Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un. Der 45-jährige war am 13. Februar am Flughafen von Kuala Lumpur ermordet worden – offenbar mit dem Nervengift VX. Am Kopf des Leichnams seien Spuren der hoch toxischen Substanz gefunden worden, teilte die malaysische Polizei am Freitag mit.
Was ist VX?
VX gilt als stärkstes Nervengas. Die Substanz ist farb- und geruchlosund wird über die Haut, Augen, Nahrung und Atemwege in den Körper aufgenommen. VX führt zunächst zu Übelkeit, Lähmung der Atemmuskulatur und dann binnen weniger Minuten unter Krämpfen zum Tod.
VX wird von den Vereinten Nationen als Massenvernichtungswaffe gelistet. Nach der internationalen Chemiewaffenkonvention von 1997 müssen VX-Bestände angezeigt werden. Länder mit VX-Beständen müssen diese vernichten. Experten zufolge ist das Gas stabil, leicht zu transportieren und bei Flughafenkontrollen kaum zu entdecken. VX ist kostengünstig und in kleinen Laboren oder Pestizidfabriken einfach herstellbar.
Die US-Gesundheitsbehörde CDC beschreibt VX als das „stärkste“ aller Nervengifte. Jeglicher Hautkontakt mit dem flüssigen Gift, sofern es nicht „sofort abgewaschen wird“, sei tödlich, heißt es auf der CDC-Website.
Auch diese Gifte können töten
Toxikologe Frank Mußhoff* erklärt in seinem Buch„Mordsgifte. Ein Toxikologe berichtet“ (9,99 Euro, Bastei Lübbe Verlag),welche Stoffe tödlich sein können.
BILD erklärt weitere sechs Gifte und sechs spektakuläre Fälle – die fast immer tödlich endeten.
Arsen
Im Jahr 1785 wird Gesche Margarethe in Bremen geboren. Mit 21 heiratet die Tochter einer Wollnäherin und eines Schneiders ihren ersten Mann. Eine unglückliche Ehe mit einem Alkoholiker, der die Nächte gerne mit Prostituierten verbringt.
Laut der geschichtlichen Aufzeichnungen, schenkt Gesches Mutter der frustrierten Frau im Jahre 1812 ein Fässchen sogenannte „Mäusebutter“ – in Fett eingebettete Arsenkügelchen.
Eigentlich soll Gesche damit die Insekten- und Mäuseplage bekämpfen. Doch sie nutzt das Gift anders...
Immer wieder schmiert sie die Butter auf Fisch und Speck –den sie dann ihren Verwandten und Freunden zu Essen anbietet. 15 Morde in 16 Jahren! Unbemerkt tötet sie so ihren ersten Mann, ihre Kinder, Mutter, Vater, Brüder und ihren zweiten Ehemann, Christoph Gottfried.
Erst 1828 erkennt der skeptisch gewordene Vermieter der Mörderin kleine weiße Kügelchen in einem Stück Schinken. Gesche Gottfried ist aufgeflogen. 1831 wird sie mit einem Schwert auf dem Bremer Marktplatz geköpft.
Morphin
Am 24. Juni 1998 wird Kathleen Grundy (†81), die ehemalige Bürgermeisterin von Hyde bei Manchester, tot in ihrem Haus aufgefunden.
Für ihr Alter war sie eigentlich noch recht fit. Trotzdem steht in dem Totenschein, den ihr Arzt Harald Shipman ausstellt, als Todesursache „fortgeschrittenes Alter“. Kathleen Grundys Tochter kommt das Ganze komisch vor...
Vor allem das plötzlich aufgetauchte Testament. Dieses besagt überraschenderweise, dass Dr. Shipman alles erben soll –heute circa 460 000 Euro. Die Skepsis ist begründet!
Nach den Ermittlungen der Polizei stellt sich wenig später raus, dass Shipman das Testament geschrieben hat. Und um den scheinbar letzten Willen der letzten Dame einheimsen zu können, tötet er sie mit einer Überdosis Morphin.
Dieses Gift kann der Arzt ohne Probleme besorgen und verabreichen –was er oft tut! Zwischen 1975 und 1998 soll Shipmann –alias „Dr. Death“ –mehr als 250 Menschen getötet haben.
Am 31. Januar 2000 wird der Serien-Killer wegen 15-fachen Mordes zu 15-fach lebenslänglicher Haft plus vier Jahre (für das gefälschte Testament) verurteilt.
Am 13. Januar 2004, einen Tag vor seinem 58. Geburtstag, erhängt er sich in seiner Zelle.
Insulin
Am 3. Mai 1957 ruft der britische Krankenpfleger Kenneth Barlow (damals 38) einen Arzt zu seinem Haus in Bradford (England). Seine im zweiten Monat schwangere Frau Betty Barlow liegt tot im Badezimmer.
Barlow sagt, dass die Krankenschwester ertrunken sei, während er schlief. Eigentlich eine gute Geschichte. Doch der Arzt wundert sich über die großen Pupillen der Toten...
Als Ermittler das Haus der Eheleute durchsuchen, finden sie benutzte Spritzen in der Küche. Die Beamten befragen den zu diesem Zeitpunkt arbeitslosen Ehemann zu seiner Vergangenheit – und kommen zu dem Schluss, dass Bettys Tod kein Unfall oder Selbstmord war!
Kenneths erste Frau war ein Jahr zuvor ebenfalls auf mysteriöse Weise gestorben. Und ein Kollege Barlows sagte aus, dass der Arzt schon oft über die Wirkung von Insulin geredet hatte.
Bettys Leiche wird genau untersucht. Ergebnis: Die Rechtsmediziner finden zwei Einstichlöcher an ihrem Gesäß. Und die Gewebeprobe zeigt: Betty ist mit Insulin totgespritzt worden.
Obwohl Kenneth vehement abstreitet seine Frau getötet zu haben, wird er am 13. Dezember 1957 zu lebenslanger Haft verurteilt.
Rizin
7. September 1978. Georgi Iwanow Markow (49) wartet an einer Bushaltestelle in London. Der Bulgare hat es eilig, fühlt sich verfolgt...
Das Gefühl trügt ihn nicht. Der Schriftsteller ist ein Systemkritiker. Immer wieder veröffentlicht er Artikel gegen Todor Schiwkow, den bulgarischen Staatschef.
Neben Markow steht ein Mann. Obwohl der Himmel klar ist, trägt er einen Regenschirm bei sich. Dann kommt der Bus.
Als Markow einsteigen will, spürt er plötzlich einen stechenden Schmerz in der rechten Wade. Er blickt zu dem Mann, der den Schirm aufhebt. Scheinbar alles nur ein Unfall. Markow hat einen kleinen Kratzer. Einen tödlichen Kratzer...
Nur wenige Stunden später wird Markow von Fieberkrämpfen und heftigen Durchfällen geschüttelt. Er kommt am selben Tag ins Krankenhaus, berichtet von dem Vorfall an der Bushaltestelle. Die Ärzte gehen erstmal von einer schweren Entzündung aus...
Doch am nächsten Tag hat sich der Zustand des Patienten deutlich verschlechtert. Markow spuckt Blut, fällt dann ins Koma.
Die Ärzte sind ratlos. Der Kranke springt auf keine Behandlung an. Vier Tage nach dem Ereignis an der Bushaltestelle – am 11. September 1978 – stirbt der Kritiker.
Erst die Obduktion zeigt, was passiert ist: Im Unterschenkel Markows finden die Rechtsmediziner eine rund 1,5 mm große Platin-Kugel. Darin: Rizin-Reste! Nun ist klar: Der Mann von der Bushaltestelle hat Georgi Markow das Gift mit der Regenschirmspitze injiziert.
Nach langen Ermittlungen kam heraus, dass die Kommunistische Partei der Sowjetunion am Attentat beteiligt gewesen sein soll. Denn das Attentat –am 7. September – fiel auf den Geburtstag des bulgarischen Diktators.
Als Täter wurde 1993 ein Agent des bulgarischen Geheimdienstes namens Francesco Giullino verantwortlich gemacht. Es kam aber nie zu einer Anklage, weil Beweise fehlten. Der Fall ist bis heute nicht vollständig gelöst.
Dioxin
5. September 2004, Ukraine – mitten im Wahlkampf. Am Abend trifft sich Präsidentschafts-Kandidat Wiktor Juschtschenko (damals 50) mit Ihor Smeschko, dem Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes und dessen Stellvertreter Wolodymyr Sazjuk. Die Männer essen gemeinsam, dann löst sich die Runde auf.
Zu Hause angekommen, wird Juschtschenko plötzlich übel, übergibt sich. Er ahnt noch nicht, dass er vergiftet wurde...
Am nächsten Tag treten die Vergiftungs-Symptome ganz deutlich auf: Juschtschenko leidet unter Unterleibs- und Rückenschmerzen, seine Gesichtsmuskeln sind gelähmt.
Er kommt in ein Wiener Krankenhaus. Dort werden Entzündungen des Magens, des Darms, der Bauchspeicheldrüse, des Ohrs und der Leber festgestellt.
Doch es wird noch schlimmer! Zwei Wochen nach dem Attentat bekommt der Politiker starke Akne. Nicht nur im Gesicht, sondern fast am ganzen Körper. 40 Prozent seiner Haut ist entstellt.
Bis heute ist Dioxin im Blut Juschtschenkos, denn es wird nur langsam vom Körper abgebaut. Insgesamt 26 Operationen ließ er über sich ergehen, damit seine Haut wieder normal aussieht.
Laut Juschtschenko hatte die ukrainische Behörde das Attentat in Auftrag gegeben, um ihn politisch auszuschalten. Bis heute ist der Fall nicht vollständig aufgeklärt.
Polonium
London am 1. November 2006: Der Putin-Kritiker und Ex-KGB-Agent Alexander Litwinenko (44) ist mit dem russischen Geschäftsmännern (und früheren KGB-Mitarbeitern) Andrei Lugowoi und Dmitri Kowtun in einem Londoner Hotel zum Tee verabredet.
Laut Ermittlungen trifft er statt auf die Erwarteten auf einen Unbekannten, der sich ihm als „Wladimir“ vorstellt. Obwohl dieser seine Identität nicht preisgibt, trinken beide Männer Tee miteinander.
Am Abend bekommt Litwinenko plötzlich starke Schmerzen, kann kaum alleine gehen, muss sich übergeben. Die Ursache –zu diesem Zeitpunkt noch unklar – eine Vergiftung mit radioaktivem Polonium-210.
Der ehemalige Agent wird in ein Krankenhaus gebracht. In den folgenden Tagen zeigen sich Symptome wie Durchfall, ein Schwächegefühl sowie Zahnfleisch- und Nasenbluten. Auch die Haare fallen Litwinenko aus. Knochenmark, Leber und Immunsystem sind beschädigt, sein Gesicht ist geschwollen.
Die Ärzte wissen nun: Der Kreml-Kritiker wurde vergiftet. Doch womit? Am Abend des 23. November 2006 versagt schließlich Litwinenkos Herz, drei Wochen nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus.
Erst jetzt wissen die Ärzte: Alexander Litwinenko wurde mit Polonium-210 vergiftet, der Tee war damit kontaminiert. Trotz zahlreicher Verdächtiger und Litwenkos Vermutung, der Kreml könnte hinter dem Attentat stecken, wurde der Fall bis heute nie geklärt.
* Professor Frank Mußhoff vomForensisch Toxikologischen Centrum Münchenist im In- und Ausland als Sachverständiger für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte tätig.
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